Über den Werterhalt von Vitras Designklassikern: Restaurator Stefan Thoma im Interview

Stefan Thoma - Interview

Stefan Thoma ist Restaurator aus Leidenschaft. Aus einem Hobby und der Vorliebe für Designklassiker entstand vor acht Jahren eine professionelle Zusammenarbeit mit Vitra mit dem Ziel, die Authentizität der Entwürfe beizubehalten und ihre Funktion wiederherzustellen.

Wir haben den Restaurator in seiner Werkstatt besucht und mit ihm über die Faszination für das Lebenswerk von Charles & Ray Eames, die grössten Herausforderungen in seinem Arbeitsalltag und die Besonderheiten der neuen Fiberglass Chairs gesprochen.

Herr Thoma, Sie zählen zu einem der wenigen von Vitra autorisierten Restauratoren. Wie sind Sie zu diesem Beruf gekommen?

Auf der Suche nach einem Kontrast in meinem Haus begann ich vor inzwischen mehr als 25 Jahren Klassiker aufzubereiten. Bald wurde ein Hobby daraus und brachte mir positives Feedback aus dem Familien- und Freundeskreis ein. Das bestärkte mich, mich intensiver mit den Klassikern und dem Lebenswerk von Charles & Ray Eames sowie Vitra zu befassen.

Stefan Thoma - Interview

Die professionelle Zusammenarbeit mit Vitra begann vor rund 8 Jahren, zum einen aufgrund von Kundenanfragen zur werterhaltenden Aufbereitung von Klassikern, zum anderen durch meine Tätigkeit als Sachverständiger für Kunst- und Designklassiker.

Was fasziniert Sie an den Stücken von Charles und Ray Eames, was macht die Produkte so besonders?

Es sind die Leichtigkeit und der Komfort der Möbelentwürfe, die Konstruktion mit dem technischen Zusammenspiel der verschiedenen Materialien. Das „weniger ist mehr“, das Durchdachte, das Geniale dieser Objekte. In den Grundzügen der Entwürfe von Charles und Ray Eames gibt es bis heute keine „würdigen“ Ansätze für Verbesserungen!

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Warum halten Sie es für richtig, sich stets für das originale Produkt zu entscheiden? Erhalten Sie auch Anfragen zur Aufarbeitung von Plagiaten?

Ein Original ist vom Designer und dem autorisierten Hersteller gemeinsam entwickelt und zur Serienreife gebracht worden. Nur diese haben das Wissen und Know-how zu diesem Objekt, womit dieses auch immer das wirklich werthaltige Artefakt sein wird.

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Wir bekommen auch Anfragen zur Aufbereitung von Plagiaten. Es kommt sogar vor, dass das den Kunden nicht mal bewusst war. Wir betreiben hier Aufklärung, Aufträge lehnen wir aber ab: Neben anderen Kriterien macht es keinen Sinn, in eine Fälschung hochwertige Handwerksarbeit zu investieren. Denn eine Fälschung bleibt halt immer eine Fälschung.

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Angefangen haben Sie mit einem Fiberglas Chair. Jetzt wird der Klassiker von Vitra wieder produziert. Welche Qualitäten schreiben Sie dem Material zu?

Das ist Nachhaltigkeit in Vollendung: Der Fiberglass Chair kann selbst nach Jahrzehnten der Nutzung wieder aufgearbeitet und weiter genutzt werden – besser geht es wohl nicht.

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Inwiefern unterscheiden sich die alten Fiberglass Chairs zu einem neuen Fiberglass Chair?

Der neue Fiberglass Chair ist an die Gegebenheiten der Zeit angepasst. So entsprechen Sitzhöhe und Neigung der Sitzposition heutigen Bedürfnissen. Das gilt auch für die Materialität und die Produktionsprozesse, die heutigen Entwicklungsstandards und Umweltanforderungen entsprechen.

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Grundsätzlich sind die Fiberglass Chair gleichgeblieben. Vitra hat es sogar geschafft, den Ursprungsentwurf von Eames aufzugreifen: Die Stabilität der Fiberglassschale wurde über die Formgebung und Materialität erreicht und nicht etwa durch eine dickere Wandstärke. Dieses Qualitätsmerkmal kommt der Sitzschale zugute: Sie ist etwas transparent und recht leicht, was den ursprünglichen Intentionen der Eames entspricht.

Eames Fiberglass Side Chair DSW von Vitra

Eames Fiberglass Side Chair DSR von Vitra in basic dark / Eames ochre light

Die Verbindungselemente zwischen Schale und Untergestell, die sogenannten Shockmounts, sind ebenfalls weiterentwickelt worden. Dadurch wird der Stuhl noch langlebiger.

Ein anderer Schwerpunkt Ihres Leistungsspektrums ist die Restauration von Lounge Chairs. Welcher zentrale Aspekt steht hier für Ihre Kunden im Vordergrund?

Die Arbeit an den uns zur Restauration anvertrauten Objekte wird bestimmt durch drei Faktoren, die sich gegenseitig bedingen: Erhalten der Authentizität, Wiederherstellung von Funktion und Nutzbarkeit, Werterhalt.

Stefan Thoma - Interview

Ihre Werkstatt zeigt sich bestens organisiert und ausgestattet. Auf was kommt es neben dieser Basis für gute Handwerksarbeit noch an?

Sehr oft ist ein Restaurationsobjekt ein Stück Familiengeschichte mit entsprechend emotionalem und ideellem Hintergrund. Es ist für die Kunden und uns sehr wichtig, diese Aspekte aufzuarbeiten und in die Restaurationsarbeit miteinzubeziehen.

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Daneben gibt es natürlich auch Arbeiten an jungen Objekten, beispielsweise wegen Umzugsschäden oder Schäden, die durch unsachgemässe Nutzung entstehen, wie das Sitzen auf den Armlehnen, wofür diese nicht gedacht sind.

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Was war der grösste Schaden an einem Lounge Chair, den Sie repariert haben? Und wissen Sie, wie es zu diesem Schaden gekommen ist?

Ein besonders prägnanter Fall war der eines Lounge Chairs eines Kunden aus Südfrankreich. Ein dort ansässiger Polstereibetrieb hat zum Entsetzen des Kunden die Konstruktion und Polstertechnik des Lounge Chairs sehr frei interpretiert – und die Lederpolster kurzerhand mit silbernen Polsternägeln ringsherum von aussen auf die wertvollen Palisanderschalen genagelt.

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Happy End: Der Lounge Chair konnte von uns gerettet werden.

Was sind die grössten Herausforderungen in Ihrem Arbeitsalltag und was die grössten Freuden?

Die grösste Herausforderung und zugleich das wichtigste in unserem Arbeitsalltag ist es, die Person, die den Klassiker oft über Jahrzehnte genutzt hat, in den Restaurationsprozess einzubeziehen. Das kann auch jemand sein, der das Objekt geerbt hat und vertrauenswürdig betreut wissen möchte.

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Das Begleiten der einzelnen Schritte im Restaurationsprozess, mit dem Team nach den besten Lösungen zu suchen und am Ende den perfekt aufbereiteten Klassiker vor sich zu haben: Das bringt riesige Freude. Noch grösser wird diese mit der Bestätigung, die Kunden äussern, wenn sie ihr Schätzchen wieder – im doppelten Wortsinn – in Besitz genommen haben.

Vielen Dank, Herr Thoma, für Ihre Zeit und den spannenden Einblick in Ihre Arbeit.

www.stefanthoma.com

Beitrag vom 21.08.2019, von Isabelle Diekmann

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